Vor einigen Jahren konnte ich anhand eines kleinen Patienten eine deutliche Erkenntnis über Blähungskoliken machen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Impfungen den Hauptanteil dieser Problematik zugeordnet. Aber der kleine Sven lehrte mich eine weitere, vermutlich oft übersehene Ursache wahrzunehmen. Dies war mir sehr wertvoll, da viele kleine Kinder unter Blähungskoliken leiden. Das, was ich daraus lernen konnte, ist, dass nie die Symptome des Erkrankten alleine ohne seine Familie zu betrachten sind.
Haben die Vorfahren selbst Obstipationsmittel auch biologischer Art genommen, kann dies die Grundlage für die Blähungskoliken bei Kindern sein.
Blähungskoliken und Verstopfung beim Patienten
Während einer Reise lernten wir Familie J. mit ihrem kleinen Sohn Namens Sven kennen. Das Kind war 4 Monate alt und litt unter extremen Blähungskoliken und Verstopfung. Schon einmal hatten die Eltern voller Sorge nachts die Notaufnahme aufgesucht, da Sven schon einen roten Kopf hatte, weil er so schreien musste. Im Krankenhaus gab man ihm lediglich Beruhigungsmittel und schickte die Familie nach Hause. Zwar hatte sich der Vorfall in dieser gravierenden Form nicht wiederholt, doch das Schreien des kleinen Kindes ließ einfach nicht nach.
Chamomilla bei Blähungskoliken und Verstopfung
Zu dem Zeitpunkt unseres Zusammentreffens hatte ich nur eine kleine Notfallreiseapotheke bei mir, welche aber glücklicherweise Chamomilla enthielt.
Um die Situation nach den Beschreibungen und Verhaltensweisen von Sven zu beurteilen, vermutete ich ein Chamomillabild:
Chamomilla = „Fühlt sich nicht zugehörig, ist wütend darüber und trotzt“
Aufgrund dieser Vermutung steckte ich ihm Chamomilla an seinen Windelbund und wartete einen Augenblick ab, leider blieb mein Versuch erfolglos. Während der Vater den kreischenden Jungen versuchte zu beruhigen, sprach ich mit seiner Mutter um einen tieferen Einblick in die Anamnese zu erhalten. Ich fragte sie nach den Krankheiten Milchschorf und Windelsoor, sie verneinte beides.
Das einzig Wissenswerte über die Angelegenheit war, dass die Geburt künstlich eingeleitet wurde, da die werdende Mutter stark an Gewicht zunahm, was ihr das Laufen in den letzten Monaten nicht gerade erleichterte.
Auch der Zeitraum seit dem der Kleine unter den Blähungen litt, brachte uns nicht weiter. Nicht einmal geimpft war Sven, das einzig Relevante, was ich mit einbeziehen konnte, war ein kleiner Hautausschlag am rechten Unterarm und einen griesartigen Hautausschlag im Gesicht, besonders im Kinn- und Wangenbereich.
Repertorisation der Thematik und Senna als Abführmittel
Später repertorisierte ich meine wenigen Anhaltspunkte. Im neuen Repertorium von
Kronenberger fand ich das Symptom „Blähungen, besonders bei schlaflosen Kindern“. Das einzige Mittel was hierzu erschien, war Senna, das Sennesblatt, ein häufig verwendetes „natürliches“ Abführmittel.
Da mir diese Arznei so gut wie gar nicht bekannt war, betrachtete ich zunächst das Arzneimittelbild aus dem ich einige interessante Symptome entnahm:
- Kolikneigung, vor allen Dingen nachts
- schreien bei Säuglingen
- Bläschen in den Mundwinkeln usw.
Als wir die Familie gegen Nachtmittag erneut antrafen, fragte ich die Mutter ob ihrem Wissen nach andere Familienmitglieder unter Verstopfung litten oder gar biologische Abführmittel zu sich nahmen. Tatsächlich war die Mutter selbst diejenige, welche die Abführmittel einnahm.
Der Kleine schien ihre Problematik der Obstipation ganz einfach übernommen, „geerbt“ zu haben. Nun machte sich Frau J. schreckliche Sorgen, da Sven schon seit drei Tagen keinen Stuhlgang gehabt hatte und nach wie vor, immer stärker schrie.
Senna und Chamomilla im Therapieverlauf
Was ich außerdem in der Repertorisation entdecken konnte war, dass ein Folgemittel von Senna – Chamomilla war – und dies die Erklärung dafür sein könnte, warum
Chamomilla nicht gewirkt hatte. Die Wirkung von Chamomilla war durch die Notwendigkeit von Senna blockiert.
Die psychologische Bedeutung der Arznei:
Senna = „den Kopf einziehen, sich nicht gerade machen“
Dieses Thema kann bewirken, dass ein Mensch seine Zugehörigkeit zu anderen nicht spürt oder einfordert.
Nun steckte ich das Arzneimittel Senna, welches ich nur in der Potenz 1.000.000
zur Verfügung hatte, ebenfalls in den Windelbund des kleinen Sven. Wie erhofft, beruhigte er sich innerhalb von wenigen Minuten. Daraufhin gab ich ihm drei Kügelchen in den Mund und wir warteten weiterhin ab. Keine halbe Stunde verging, da fing er wieder an zu schreien und zwar extrem laut und stark, sodass sich sein Gesicht rot verfärbte vor Zorn.
Wieder wurde ein typisches Chamomillabild deutlich und ich war mir fast sicher, dass Chamomilla jetzt wirken würde. Ich steckte es ihm ebenfalls in den Windelbund, damit es den Bauch berührte und tatsächlich, diesmal wirkte es und der junge Mann wurde ruhig und freundlich. Somit bestätigte sich mein Verdacht des Folgemittels. Einige Zeit später schlief er friedlich ein.
Lösung der Blähungskolik nach der Mittelgabe
Nachdem wir alle zusammen gegessen hatten, entwich der Mutter ein Freudenschrei der nicht zu überhören war. Sie hatte gerade bemerkt, dass Sven etwas in den Windeln hatte.
Sie überreichte das Baby ihrem Mann um frische Windeln zu holen.
Sven hatte einen grünen Stuhl, was vorher nie der Fall war. Anfangs etwas dünn, dann in der gewöhnlichen „Baby-Konsistenz“. Insgesamt füllte das Kind drei Windeln und dies in einem Zug. Seine Mutter lachte und meinte er würde jetzt wohl die letzten 14 Tage nachholen.
Der Hautausschlag von Sven in Verbindung zur vorangegangenen Therapie
Nach dem erfreulichen Erfolg, bat mich Svens Papa, dem Hautauschlag seines Sohnes zu Leibe zu rücken.
Für den nächsten Tag repertorisierte ich auf der Basis der bereits gegebenen Mittel Senna und Chamomilla und schloss natürlich auch den grünen Stuhl mit ein.
Der griesartige Hautausschlag wies die Arzneien
- Hepar sulfuris calcarea, (ein Folgemittel von Chamomilla)
- Natrium muriaticum
- Phosphorus und
- Zincum metallicum
auf. Auch der grüne Stuhl war damit abgedeckt.
Da der Hautausschlag des Jungen am Arm mehr entzündlich erschien, wählte ich Hepar Sulfuris. Alle diese Arzneien waren Folgemittel voneinander.
Außerdem entschied ich mich dazu, die wehen-fördernden und -hemmenden Mittel, die den natürlichen Rhythmus eines Menschen stark behindern können, mit auszugleichen.
So gab ich Partusisten für die Wehenunterdrückung in der Schwangerschaft, Oxytocin für die Wehenförderung und -einleitung zur Geburt und Crategus oxacantha monogyna, die homöopathische Arznei mit der psychologischen Bedeutung, „Verleugnung des eigenen Lebensrhythmus“.
Da es sich bei der Weheneinleitung um ein geburtsübergreifendes Thema handelt, fügte ich Opium papaver somniferum und Caulophyllum hinzu.
Mittelgaben am Folgetag und Fazit
Am nächsten Tag verabreichte ich dem Kind
- Hepar sulfuris
- Crategus oxacantha monogyna
- Caulophyllum
- Oxytoxin
- Opium papaver somniferum und
- Partusisten
zunächst nur als Einmalgabe. Erfreulicherweise waren die Grieskörner innerhalb von drei Std. so gut wie unsichtbar, auch alles andere schien gut gewirkt zu haben, denn auch die Blähungskoliken waren gänzlich verschwunden.
Hier eine kurze Aufführung der oben aufgeführten homöopathischen Arzneien und deren psychologische Bedeutungen soweit bekannt:
Caulophyllum = Keinen Mut zum Quantensprung aus Angst vor Gewalt
Crategus oxacantha monogyna = Verleugnung des eigenen Lebensrhythmus
Hepar sulfuris = Andere verändern wollen, um die eigene Sicherheit zu stärken
Natrium muriaticum = Festhalten an dem, was bewährt und bekannt ist
Opium papaver somniferum = Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem
Phosphorus = Die traumatisierte Lebensenergie, immer das Gleiche
Senna = Den Kopf einziehen, sich nicht gerade machen
Zincum metallicum = Scheinwürde und Disziplin anstelle von Gefühlen
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